Jeder Plan, das eigene Leben auf eine neue Basis zu stellen, bleibt Träumerei, wenn es an Begeisterung fehlt und an dem Willen, ihn umzusetzen. Zitiert sei hier zur Einleitung der "moderne Alchemist" Nigel Hamilton aus seiner Schrift Der alchemistische Prozess der Transformation (1985):
Auf jeder Stufe erlebt der Alchemist eine immer intensivere Reinigung, gefolgt von der Verbindung mit dem Feuer jener Stufe (chymische Hochzeit), der Geburt eines neuen Selbstbildes und schliesslich dem Tod dieses Selbstbildes ...
Hier finden Sie eine kleine Sammlung von "feurigen" Texten.
Michael Ende (1929-1995) war der Sohn des surrealistischen Malers Edgar Ende und dessen Ehefrau Luise Bartholomä. Als er wenige Wochen vor Kriegsende zur "Heimatverteidigung" herangezogen werden sollte, desertierte Ende und schloss sich der Organisation Freiheitsaktion Bayern an. Im Jahr 1979 schrieb Michael Ende den phantastischen Roman Die unendliche Geschichte. Das Buch verkaufte sich weltweit etwa zehn Millionen Mal und wurde in 40 Sprachen übersetzt.
"Tu was du willst!- das bedeutet doch, dass ich alles tun darf, wozu ich Lust habe, meinst du nicht?"
Graógramáns Gesicht sah plötzlich erschreckend ernst aus, und seine Augen begannen zu glühen.
"Nein", sagte der Löwe mit jener tiefen, grollenden Stimme, "es heißt, daß du deinen Wahren Willen tun sollst. Und nichts ist schwerer."
"Meinen Wahren Willen?" wiederholte Bastian beeindruckt. "Was ist denn das?"
"Es ist dein eigenes tiefstes Geheimnis, das du nicht kennst."
"Wie kann ich es denn herausfinden?"
"Indem du den Weg der Wünsche gehst, von einem zum andern und bis zum letzten. Der wird dich zu deinem Wahren Willen führen."
"Das kommt mir eigentlich nicht so schwer vor", meinte Bastian.
"Es ist von allen Wegen der gefährlichste", sagte der Löwe.
"Warum?" fragte Bastian, "ich hab' keine Angst."
"Darum geht es nicht", grollte Graógramán, "er erfordert höchste Wahrhaftigkeit und Aufmerksamkeit, denn auf keinem anderen Weg ist es so leicht, sich endgültig zu verirren."
Die älteste erhaltene Textversion der Tabula Smaragdina findet sich im Anhang zu einem arabischen Manuskript des sechsten Jahrhunderts. Im 12. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt, wurde der Text im Mittelalter und dann verstärkt in der Renaissance von vielen Alchemisten kommentiert und rezipiert. Auch seit dem Beginn der modernen Naturwissenschaften (und der damit verbundenen Diskreditierung der Alchemie) blieb ihre Faszination auf Hermetiker bis in die Gegenwart ungebrochen.
Manche sagen, und nicht zu Unrecht, die Freimaurerei sei so alt wie die Welt. Urvater Adam selbst wäre der erste Mensch gewesen, der mit seinen Söhnen Kain und Abel Loge hielt. Andere sagen, ebenfalls nicht zu Unrecht, das Gründungsjahr der Freimaurerei wäre 1717 gewesen.
Wie lange also gibt es schon Freimaurer?
Seit 300 Jahren?
Seit 3.000 Jahren?
Seit 30.000 Jahren?
Für jede dieser Zahlen lassen sich Belege finden, und doch verliert sich letztendlich jeder diesbezügliche Deutungsversuch im Dunkel des Spekulativen. 1717 ist nur insofern das Gründungsjahr der Freimaurerei, als sich in diesem Jahr - im Hinterzimmer des Londoner Gasthauses Goose and Gridiron - mehrere Freimaurerlogen zur ersten Großloge von London zusammenschlossen. Das allerdings bedeutet, dass es bereits vor diesem Datum einige Freimaurerlogen gegeben haben muss. Anlässlich des Zusammenschlusses gaben sie sich fortlaufende Nummern: 1, 2, 3, ... - eine Tradition, die in vielen Logen bis heute fortgeführt wird.
Bald schon stellte sich jedoch heraus, dass eine gewisse schottische Loge, die (bis heute existierende) Lodge of Kilwinning, Grafschaft Ayrshire, 1717 weder eingeladen noch mitgerechnet worden war. Diese jedoch verfügte über historische Dokumente, welche nachwiesen, dass sie von den Baumeistern der Abtei von Kilwinning gegründet worden war. Dies aber geschah bereits fast 600 Jahre früher, nämlich um das Jahr 1140.
Das Problem mit der nunmehr falschen Nummerierung wurde im Übrigen so gelöst: Die Loge von Kilwinning erhielt im Nachhinein kurzerhand die Nummer 0. Sprich: N o t h i n g. Lodge Mother Kilwinning Number Nothing.
Und damit sind wir bereits mitten im Kern der Sache: Die alten Freimaurer waren tatsächlich Bauleute. Solange es - bis ins Spätmittelalter hinein - noch Mode war, Kathedralen zu bauen, wurde diese Aufgabe von den sogenannten Dombauhütten übernommen. Diese nahmen - nicht zuletzt aufgrund der herausragenden Ergebnisse ihrer Arbeit, die nicht nur zum großen Teil bis heute bestehen, sondern das Menschengeschlecht wohl ebenso überleben werden wie die Pyramiden Ägyptens - in der damaligen Gesellschaft eine Sonderstellung ein. Ihre Angehörigen besaßen uneingeschränkte Reisefreiheit in Europa; sie waren keiner anderen Behörde unterstellt als ihren eigenen Großmeistern; und diese wiederum waren bloß dem Papst, als der damals höchsten weltlichen Autorität, Verantwortung schuldig.
Was taten diese Bauleute? Sie errichteten kolossale Gebäude in einer bis heute unerreicht gebliebenen Kunstfertigkeit, die ihnen zu ihrer Zeit - wie man sich, insbesondere vor dem Hintergrund der Heiligen Inquisition, nur allzu gut vorstellen kann - nicht nur Ruhm, sondern auch jede Menge Neider und Feinde einbrachten. Magie! Hexerei! So mancher Dombaumeister wurde schließlich auf kleiner Flamme geröstet.
In Wirklichkeit verfügten sie bloß über eine Reihe mathematischer Formeln, die - schon damals - dem Bauplan der Welt auf der Spur waren. Sie kannten den Satz des Pythagoras, der es erlaubt, unter Zuhilfenahme bloß eines Seiles unbestimmter Länge und dreier Nägel oder Pfosten einen Rechten Winkel zu konstruieren, und sie kannten die Fibonacci-Reihe (1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, ...), der verblüffend viele Formen der Natur in unglaublicher Präzision folgen. Kein Längenverhältnis erscheint unserem Auge harmonischer als das aus dieser Reihe resultierende Konzept von 1:1,618. Oder: A:B = B:(A+B). Oder: Das Kleinere verhält sich zum Größeren wie das Größere zum Ganzen. Betrachten wir einen unserer Finger, werden wir (in den Längenverhältnissen seiner drei Knochen zueinander) diesen Satz wiederfinden.
Wie wir sehen, reichen die Wurzeln der Freimaurerei tief ins Dunkel der Geschichte zurück. Sie streifen den legendären Tempelbau zu Jerusalem, 3.000 Jahre zurück in der Geschichte, ebenso wie die ägyptischen Pyramiden. Aber sie standen auch zu allen Zeiten, mindestens von den ägyptischen Mysterien beginnend in ungebrochener Überlieferung über die hebräischen und griechischen Geheimlehren, die mittelalterlichen Ketzer-Mystiker, die Tempelritter, Rosenkreuzer und Freimaurer bis heute, in enger Verbindung mit dem hermetischen Erbe der Menschheit.
Was tut ein Freimaurer heute?
Dasselbe, was er auch schon vor 300, 3.000, 30.000 Jahren getan hätte.
Er bemüht sich darum, aus dem rauhen Stein seiner selbst einen rechtwinkligen, makellos geschliffenen Monolithen zu fertigen, der sich reibungslos in die Mauern des großen Tempels der Menschheit einfügen lässt.
Zunächst sieht er in sich, um sich selbst zu erkennen.
Sodann sieht er um sich, um sich im Du, im Anderen, wiederzuerkennen.
Schließlich sieht er über sich, um die magische Verbindung zu jenen Intelligenzen wieder aufzunehmen, die das Prinzip des Lebens geplant haben und sich redlich darum bemühen, es zu vervollkommnen.
Noch ist das Spiel nicht zu Ende.
Noch leben wir.
Wir heißen Euch hoffen.
Diese Stelle im Buch des Heiligen Wissens (der Bibel) liegt - als eines der sogenannten Drei Großen Lichter - bei jeder Tempelarbeit im Schottischen Ritus auf dem Altar auf. Die Freimaurerei ist jedoch keine Religionsgemeinschaft, und schon gar nicht ist ein Freimaurertempel eine Kirche. Also liegt die Vermutung nahe, dass uns diese Worte etwas sagen wollen, das nichts mit Konfession zu tun hat: